Bauen im Bestand.
Zunehmende Bodenverknappung und der Klimawandel lassen Bauen im Bestand ein immer wichtigeres Thema werden. Finanzielle, kulturelle als auch nachhaltige Aspekte setzen ein Neudenken und Optimieren von Bestandsimmobilien voraus.
Bauen im Bestand ist im Allgemeinen allerdings sehr vielseitig und umfasst die verschiedensten Gebiete wie Instandhaltung und -setzung, Modernisierung, Umbauten und Erweiterungen sowie Renovierungen.
Besonders in Stadtzentren macht Bauen im und am Bestand einen wachsenden Anteil der Bauwirtschaft aus. Hier ist ein häufiges Anliegen, durch Auf- und Umbauten, zusätzlichen (Wohn)Raum zu schaffen oder die bestehende Fläche durch bessere Strukturierung effizienter nutzen zu können.
NACHHALTIGKEITSASPEKT
Der womöglich wichtigste Aspekt ist der der Nachhaltigkeit. Denn, wer den Bestand nutzt, schont die Ressourcen. Auf Bestehendem aufbauen, anstatt es zu zerstören, schützt nicht nur das Klima, sondern verlangt auch Kreativität.
So macht es häufig Sinn bereits vorhandene Gebäude umzudenken, zu erweitern oder zu modernisieren, anstatt sie gänzlich abzureißen und Neue zu bauen.
Schließlich werden bei einem Neubau nicht nur wesentlich mehr Baustoffe und -materialien benötigt, sondern es fallen beim Abriss eines Bestandsgebäudes auch gleichwohl beträchtliche Mengen Bauschutt und unverwertbarer Müll an.
Um also keine wertvollen Ressourcen zu vernichten, gibt es die Möglichkeit das Bestandsgebäude in bauphysikalischer und funktioneller Hinsicht zu verbessern und so ein Qualitäts-Upgrade zu erzielen. Auch eine Optimierung des Grundrisses ist möglich, um die bestehenden Flächen besser nutzen zu können. In beiden Fällen sollte dann trotzdem darauf geachtet werden, dass möglichst ressourcenschonende Materialien verwendet werden.
Die energetische Aufwertung alter Gebäude zur Verbesserung der Ökobilanz spielt hier ebenfalls eine wichtige Rolle. Viele Bestandsgebäude haben den Ruf Energiefresser zu sein. Durch eine energetische Sanierung (besserer Wärmeschutz, erneuerbare Energieträger) kann dies geändert werden. Hier ist die Zusammenarbeit mit Bauphysiker:innen empfohlen, da nicht alle alten Gebäude eine Dämmung brauchen oder vertragen und eine Bestandsnutzung auch nicht immer die beste Lösung ist. Hier gilt es zu schauen was am meisten Sinn macht in Bezug auf Kosten, Nutzen und Nachhaltigkeit. Bei älteren Gebäuden ist auch zu bedenken, dass es oft die ein oder andere bürokratische Hürde zu meistern gilt.
ARCHITEKTONISCHER ASPEKT
Auch wenn man sich an Bestehendem orientiert, ist es nicht so, dass man dadurch in der Gestaltung oder Kreativität vollkommen eingeschränkt ist.
Vielmehr ist besondere Raffinesse gefragt, um Neu und Alt in Einklang zu bringen. Durch die Vorgabe des bereits bestehenden Gebäudes müssen Ideen ganz anders gedacht werden als bei einem Neubau – so entstehen, entgegen der ersten Vermutung, auch hier ganz außergewöhnliche und einzigartige Entwürfe.
Je nachdem wie die Ansprüche und Gegebenheiten sind, muss ein Spagat zwischen der baugeschichtlichen Vergangenheit bzw. der bestehenden Substanz und dem Neuen geschafft werden. Das Zusammenspiel dieser beiden Komponenten ist hier oft besonders reizvoll. Hierbei stellt sich auch immer die Frage wie weit der Bestand verändert oder eben nicht verändert wird. Hier sind verschiedenste Abstufungen möglich.
Wie das im Resultat aussehen kann, zeigen beispielsweise unsere Projekte „Harmonie“, „Mosaik“, „Charakter“ und „Nachhaltigkeit“. Hier kann man bereits deutlich erkennen, wie stilistisch divers Bauen im Bestand sein kann. „Harmonie“ zeigt den geschickten Umbau eines Stallgebäudes in ein Einfamilienhaus, bei den anderen drei Objekten handelt es sich um Aufstockungen.
Das Bestehende modernisieren, ohne die Verbindung zum Ursprung zu verlieren; das Neue und Alte in Einklang bringen, um ein harmonisches, homogenes oder vielleicht auch kontrastreiches Gesamtbild zu erschaffen, ist was Bauen im Bestand architektonisch interessant macht.
KULTURELLER ASPEKT
Bauen im Bestand kann auch bedeuten kulturelles Erbe zu schätzen und zu bewahren. Alte Häuser besitzen oftmals einen besonderen Charakter und tragen so maßgeblich zum Kulturgut unserer Gesellschaft bei. Diese alten Bausubstanzen, welche teils voll sind mit Erinnerungen, Werten und Vorstellungen, gilt es für die Nachwelt zu erhalten. Besonders schön ist es hierbei, wenn diese Objekte zeitgleich auch wieder mit neuem Leben gefüllt werden. Wenn die Gegenwart ihren Platz in der Vergangenheit findet und die Vergangenheit ihren Platz im Jetzt bewahrt, ist der kulturelle Wert somit noch viele weitere Jahre zugänglich.
Ein Beispiel für solch eine Symbiose von Vergangenem und Jetzigem in der der Bestand weitestgehend erhalten wurde, präsentiert unser Projekt „Geschichte“. Hier wurde liebevoll ein Bauernhaus mit über 600 Jahren Geschichte renoviert um den Dialog mit der Tradition, die von diesem Haus ausgeht, aufrecht zu erhalten.
Es zeigt sich also deutlich, dass Bauen im Bestand ein breit gefächertes Gebiet ist, welches viel zu bieten hat und auch aus einer architektonisch künstlerischen Perspektive sehr interessant ist. Durch den hohen Stellenwert den Bauen im Bestand bezüglich Nachhaltigkeit und Bodenverknappung einnimmt, ist außerdem davon auszugehen, dass wir in Zukunft noch sehr viel mehr spannende Projekte in diesem Bereich zu sehen bekommen und auch realisieren werden.